Informationen zum Ostseezustand und zur Zusammenarbeit im Ostseeraum - Stand Oktober 2020

Die Eutrophierung, d. h. die “Überdüngung” durch zu hohe Nährstoffeinträge in der Vergangenheit wie auch noch in der Gegenwart, ist nach wie vor eines der größten Probleme für die Ostsee. 97 % des gesamten Ostseegebietes erreichen aufgrund der Auswirkungen der Eutrophierung nicht den guten Umweltzustand, 12 % davon wurden in die schlechteste Güteklasse eingestuft (HELCOM 2018). Die Nährstoffeinträge von Land haben zwar dank gemeinsamer Anstrengungen der Ostseeanrainer abgenommen, aber der Effekt der Maßnahmen wirkt sich noch nicht durchschlagend auf den Zustand der Meeresumwelt aus. Gegenüber dem Zeitraum 2007-2011 hat sich der Eutrophierungszustand in nur in einem der 17 Bewertungsgebiete der offenen Ostsee verbessert, in 4 Gebieten sogar verschlechtert. In den übrigen 12 Gebieten konnte keine Veränderung festgestellt werden. Auch im Bereich der Küstengewässer werden nur wenige Wasserkörper als „gut“ eingestuft, aber für einige der Indikatoren ist in manchen Gebieten ein positiver Trend festzustellen. In der deutschen Ostsee werden nach nationaler Einschätzung 100 % des Gebiets weiterhin als durch Eutrophierung beeinträchtigt eingestuft (MSRL-Bericht 2018). Gegenüber der vorherigen Bewertung sind kaum Veränderungen zu verzeichnen. Möglicherweise werden in der nächsten Bewertung (2024) leichte Verbesserungen erkennbar werden.

Trotz der erheblichen Reduktion der Nährstoffeinträge seit den 1990er Jahren haben die Eutrophierungseffekte in der deutschen Ostsee wie auch in der gesamten Ostsee noch nicht signifikant abgenommen. Dies liegt u.a. daran, dass sowohl die Nährstoffreduktionsziele nach HELCOM als auch die national festgelegten Zielwerte für Einträge von Stickstoff und Phosphor über die Flüsse noch nicht erreicht wurden (s. unter „Nährstoffeinträge“). Hinzu kommen natürliche Gegebenheiten: der geringe Wasseraustausch mit der Nordsee ist Grund dafür, dass der größte Teil der eingetragenen Nährstoffe sowohl im Wasser als auch in den Sedimenten der Ostsee verbleibt. Hinzu kommt die Trägheit des Systems – es hat viele Jahrzehnte gedauert, bis das ökologische Gleichgewicht gestört war. Entsprechend braucht es auch viele Jahre, bis die Erholung messbar wird und das System sich wieder in Richtung auf das natürliche Gleichgewicht bewegt.

Die gemeinsamen Anstrengungen der Ostseeanrainer zur Reduktion der Nährstoffeinträge über die Flüsse und die Atmosphäre müssen fortgesetzt werden, um die Auswirkungen der Eutrophierung dauerhaft verringern und den guten Umweltzustand erreichen zu können. Hierzu sind die Aktivitäten unter HELCOM, aber auch die gemeinsamen Anstrengungen der EU-Mitgliedsstaaten unter der Wasserrahmenrichtlinie, der Nitratrichtlinie (hierbei ist die konsequente Umsetzung der nationale Düngeverordnung von großer Bedeutung) und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie wesentliche Grundlage. Die unter HELCOM zwischen den Ostseeanrainern abgestimmte Methodik der Eutrophierungsbewertung ist ein wichtiger Schritt, um Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen und auf dieser Grundlage Handlungsbedarf abzuleiten.

Nährstoffeinträge (Stickstoff, Phosphor)Inhalte ein- bzw.ausblenden

Ostseeweit konnte durch die Ostseeanrainerstaaten eine signifikante Reduktion der Nährstoffeinträge erreicht werden. Gegenüber dem Referenz-Zeitraum 1997-2003 sank der Eintrag von Gesamtstickstoff bis 2017 um 14% und von Gesamtphosphor um 24% (https://helcom.fi/baltic-sea-action-plan/nutrient-reduction-scheme/progress-towards-maximum-allowable-inputs/). Die Einträge waren jedoch noch deutlich höher als die maximal zulässigen Einträge über die Flüsse und die Atmosphäre in Höhe von zusammen rund 800.000 Tonnen Gesamtstickstoff und 22.000 Tonnen Gesamtphosphor pro Jahr, auf die sich die Ostseeanrainerstaaten bei HELCOM verständigt hatten.

Auch die Frachten der Phosphor- und Stickstoffverbindungen deutscher Zuflüsse zur Ostsee sind seit den 1990er Jahren rückläufig. Im Vergleich der Bewertungszeiträume 2012–2014 und 1983-1987 sind die Einträge um 65 % für Stickstoff und 78 % für Phosphor zurückgegangen (Modellergebnisse MoRe in MSRL-Bericht 2018). Allerdings zeigte sich seit 2000 kaum noch ein abnehmender Trend und es traten abflussbedingt sehr starke jährliche Schwankungen auf. Im Jahre 2014 wurden ca. 2.800 Tonnen Stickstoff und ca. 112 Tonnen Phosphor über die Flussgebietseinheiten Schlei/Trave und Warnow/Peene in die Ostsee eingetragen. Berücksichtigt man zusätzlich den deutschen Anteil an den Einträgen aus dem Oder-Einzugsgebiet z. B. in das Kleine Haff und direkt in die Oder, dann wurden 2014 ca. 9.600 Tonnen Stickstoff und ca. 360 Tonnen Phosphor in die Ostsee eingetragen (UBA 2017 in MSRL-Bericht 2018).

Für Flüsse, die in die Ostsee münden, gilt das Bewirtschaftungsziel von 2,6 mg/l Gesamt-Stickstoff. Von den großen Ostseezuflüssen in Mecklenburg-Vorpommern erreichte die Warnow im Zeitraum 2012-2016 diesen Bewirtschaftungszielwert. Die Peene lag mit 2,9 mg/l noch darüber, ihre Konzentration stagnierte aber in den letzten Jahren. Insbesondere bei den kleinen Flüssen liegen die Stickstoffkonzentrationen aber teilweise noch um ein Vielfaches über dem Bewirtschaftungszielwert.

Schadstoffe und PharmazeutikaInhalte ein- bzw.ausblenden

Nach HELCOM (2018) sind die Schadstoffkonzentrationen erhöht und geben nach wie vor Anlass zur Besorgnis. Aber insgesamt überwiegt die Zahl der positiven Trends die festgestellten Verschlechterungen. Der gute Umweltzustand wird nicht erreicht, was vor allem auf die polybromierten Flammschutzmittel und Quecksilber zurückzuführen ist. Auch Cäsium aus dem Tschernobyl-Unfall 1986 spielt noch eine Rolle, aber die Radionuklide sind in einigen Gebieten bereits auf einem akzeptablen Niveau und werden dies vermutlich bald ostseeweit erreichen. Positiv festzustellen ist auch, dass akute Verschmutzungsereignisse aufgrund von Ölunfällen abgenommen haben.

Die Problematik der Einträge von Pharmazeutika in die Ostsee wird von den Anrainerstaaten ernst genommen und weiter untersucht. So wurde von der HELCOM die Konzentration des Schmerzmittel-Wirkstoffs Diclofenac bei dem letzten Zustandsbericht der Ostsee (http://stateofthebalticsea.helcom.fi/pressures-and-their-status/hazardous-substances) als Test-indikator eingeführt. Dieser zeigte Überschreitungen des Schwellenwertes im Wasser für die südwestliche Ostsee an, darunter auch an einigen Messstellen in den Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns.

Unsere Küstengewässer wurden in den letzten Jahren an 18 Messstellen auf insgesamt 47 Arzneimittelwirkstoffe und 4 Abbauprodukte untersucht. Über den HELCOM Test-Indikator hinaus gibt es jedoch noch keine Umweltqualitätsnormen für eine Bewertung der Umweltrelevanz dieser Stoffe für das marine Milieu.

Meeresmüll inkl. PlastikmüllInhalte ein- bzw.ausblenden

Die Verschmutzung der Meere mit Müll ist ein ernstzunehmendes Problem, dem sich auch die Anrainerstaaten der Ostsee stellen müssen. Hierzu hat HELCOM einen regionalen Aktionsplan Meeresmüll erarbeitet (https://helcom.fi/action-areas/marine-litter-and-noise/marine-litter/marine-litter-action-plan). HELCOM arbeitet an der Entwicklung von Indikatoren zur Bewertung des Umweltzustands der Ostsee in Bezug auf Meeresmüll, aber die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen, so dass noch keine ostseeweite Bewertung möglich war. In fast allen Anrainerstaaten wurde inzwischen ein Strandmüll-Monitoring etabliert. Die Zahl der gefundenen Müllteile variiert zwischen 50 und 300 Müllteilen pro 100 m Küstenlinie bzw. Strandabschnitt. Rund 70% der Müllteile bestehen aus Plastik (HELCOM 2018).

Ähnliche Ergebnisse zeigen sich für die deutsche Ostsee. Müll ist an den Küsten allgegenwärtig. Meeresboden, Meeresoberfläche und Wassersäule der deutschen Ostseegewässer sind weiterhin durch Müll belastet (MSRL-Bericht 2018). Auch in Meereslebewesen der Ostsee wurden Müllteile und -fragmente, inklusive Mikromüll, nachgewiesen. Die mittlere Anzahl (Median) der an den deutschen Ostseestränden registrierten Müllteile liegt in den Jahren 2011–2015 bei rund 47 Müllteilen/100 m Strandabschnitt, wobei große räumliche und zeitliche Unterschiede zu verzeichnen sind. 70% der Müllteile bestehen aus Kunststoff; besonders häufig sind Plastikteile < 50 cm (Plastik-/Styropor-Bruchstücke, Folienfetzen). Es folgen Papier und Pappe mit rund 12%, wobei allein 9% auf Zigarettenfilter entfallen. Entsprechend ersten Quellenanalysen stammt das Gros des Mülls an deutschen Ostseestränden aus touristischer Nutzung. Einträge aus der Schifffahrt und Fischerei sowie von Offshore-Installationen spielen eine untergeordnete Rolle (MSRL-Bericht 2018).

An 22 Stränden Mecklenburg-Vorpommerns wurden im Zeitraum von 2011 bis 2019 554 Strandmüll-Spülsaumsammlungen durchgeführt. Dabei wurden insgesamt 35.164 Müllteile aufgezeichnet, das sind im Durchschnitt 63 Müllteile (bzw. 32 als Median) pro Sammlung auf einem 100 m Strandabschnitt. 80% der Müllteile bestanden aus Kunststoff. Diese ausführliche Überwachung der Strände ist nur in enger Kooperation mit verschiedenen Akteuren im Land, wie Vereinen, Verbänden, den Großschutzgebieten sowie der Regionalen Schule „Windland“ Altenkirchen/Rügen möglich.

Für Strandmüll wurde zwischenzeitlich auf EU-Ebene eine Bewertungsmethode mit einem einheitlichen Schwellenwert von 20 Müllteilen/100 m (Median, ohne Fragmente < 2,5 cm) festgelegt. Ostseeweit wurde dieser Wert mit der Bestandsaufnahme von 2015-2016 vielfach überschritten. Für die deutsche Ostsee lag der Median nach dieser Bewertungsmethode bei 26 Müllteilen/100 m und damit ebenfalls über dem Schwellenwert.

UnterwasserschallInhalte ein- bzw.ausblenden

Eingetragener Unterwasserschall kann sich im Meer großräumig ausbreiten. Kontinuierliche anthropogene Schalleinträge, vor allem durch die Schifffahrt und den Betrieb von Offshore-Anlagen, erhöhen deutlich den Hintergrundgeräuschpegel aus natürlichen Quellen (z.B. Seegang). Dagegen erhöhen impulshafte Signale bzw. Schockwellen (z.B. aufgrund von Rammarbeiten, Einsatz von Sonaren oder Luftkanonen, Sprengungen) temporär die Lärmbelastung einer Meeresregion. Vor allem die impulsartigen Schalleinträge können zur Verletzung oder Tötung mariner Arten führen. Andere Effekte von Schalleinträgen sind Störungen (Vertreibung, Verhaltensänderungen, Stressreaktionen) oder Maskierung von biologisch wichtigen Signalen.

Sowohl nach HELCOM (2018) als auch nach nationaler Einschätzung (MSRL-Bericht 2018) ist die Belastung durch Impuls- und Dauerschall derzeit zu hoch. Der zunehmende Bau von Offshore-Anlagen hat in einzelnen Gebieten zu einer deutlichen Zunahme des Schiffsverkehrs und zu erhöhten Impulsschallbelastungen geführt. Im Zeitraum 2011-2016 wurden nach HELCOM-Angaben bis zu 1.700 Impulsschall-Ereignisse registriert. Die Mehrzahl von ihnen stammt von Explosionen, während ca. 11% auf Rammarbeiten im Zusammenhang mit Bauarbeiten im Meer zurückzuführen sind. Während der Fortschritt bei Lärmminderungsmaßnahmen in Bezug auf Impulsschall zunehmend erlaubte, etablierte Impulsschall-Grenzwerte einzuhalten und die Rammzeit zu verkürzen, trägt die Zunahme des Schiffsverkehrs zur Dauerschallbelastung bei.

Die Ostseeanrainerstaaten haben bereits gemeinsame Anstrengungen unternommen, um ein Monitoringprogramm für Unterwasserschall zu etablieren, ein ostseeweites Impulsschallregister einzurichten und Lärmkarten zu erarbeiten. Diese wurden auch erstmals mit Karten des Vorkommens schallempfindlicher Arten verschnitten, um eine Risikoabschätzung zu ermöglichen. Für die detaillierte Bewertung der Belastung der Ostseegewässer durch Impulsschall, Schockwellen und Dauerschall fehlen derzeit noch abgestimmte Verfahren.

Physische Schädigung des MeeresbodensInhalte ein- bzw.ausblenden

Physische Schädigungen des Meeresbodens entstehen z. B. durch den Bau von Windparks, durch bergbauliche Aktivitäten, grundberührende Fischerei oder Trübungsfahnen bei Baggerungen. Manche der menschlichen Aktivitäten führen zu reversiblen Schädigungen, von denen sich das Ökosystem wieder erholt („Störung“). Andere wiederum können zu dauerhaftem Verlust von Meeresboden und seinen Lebensräumen führen. Ungefähr 40 % des Meeresbodens werden als potenziell durch menschliche Aktivitäten gestört eingestuft. Dabei gelten derzeit weniger als 1 % des Meeresbodens der gesamten Ostsee als dauerhaft „verloren“ (HELCOM 2018). In der deutschen Ostsee liegt dieser Wert nach nationaler Einschätzung (MSRL-Bericht 2018) bei unter 4 % und damit etwas höher. Dies erklärt sich u.a. daraus, dass in Küstennähe mehr menschliche Aktivitäten als in den tiefen Gewässern der offenen Ostsee stattfinden und bei Betrachtung der deutsche Ostsee ein vergleichsweise hoher Küstengewässeranteil enthalten ist.

Die Ostseeanrainerstaaten arbeiten derzeit gemeinsam daran, ein Bewertungsverfahren zu entwickeln, das auch für die regional abgestimmte Bewertung nach EU-Meeresstrategierahmenrichtlinie geeignet ist und dazu beitragen soll, die physische Schädigung des Meeresbodens der Ostsee auf ein umweltverträgliches Maß zu reduzieren.

Quellen:

HELCOM (2018): State of the Baltic Sea – Second HELCOM holistic assessment 2011-2016. Baltic Sea Environment Proceedings 155. ISSN 0357-2994. Erhältlich unter folgendem Link:

www.helcom.fi/baltic-sea-trends/holistic-assessments/state-of-the-baltic-sea-2018/reports-and-materials/

 

MSRL-Bericht 2018: Zustand der deutschen Ostseegewässer 2018. Aktualisierung der Anfangsbewertung nach § 45c, der Beschreibung des guten Zustands der Meeresgewässer nach § 45d und der Festlegung von Zielen nach § 45e des Wasserhaushaltsgesetzes zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Hrsg.: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Erhältlich unter folgendem Link:

https://www.meeresschutz.info/berichte-art-8-10.html